Angekommen in der ruhigen, zweiten Heimat
Geflüchtete Frau ist eine große Bereicherung für amélie-Küche.
Wenn man sie an der Arbeit sieht, immer gut gelaunt, stets ein Lächeln im Gesicht, kann man sich kaum vorstellen, was die 29-Jährige in ihrem noch jungen Leben bereits durchgemacht und an Schicksalsschlägen weggesteckt hat. „Vor Mehret hat das ganze Team größten Respekt. Wir kennen ihre Geschichte. Unfassbar, welche Lasten sie auf ihren Schultern schon zu tragen hatte“, sagt Sven Hoberock, Leitung der Großküche amélie in Eschwege.
Dort arbeitet Mehret Brhane Yefter seit zwei Jahren. „Sie ist nicht mehr wegzudenken, eine großartige Bereicherung für unsere Küche. Mehret sieht die Arbeit, ihr muss man nicht sagen, was als nächstes zu tun ist“, so Sven Hoberock.
„Ich bin dankbar, hier arbeiten zu können. Eine Arbeitsstelle bedeutet Möglichkeiten zu haben, sein Leben so zu gestalten, wie man es gerne leben möchte“, sagt Mehret.
Denn einfach ihr Leben leben, konnte sie viele Jahre nicht. In Eritrea geboren und aufgewachsen, musste sie erst den frühen Tod ihrer Mutter verkraften. „Du musst heiraten, mit einem Mann an deiner Seite hast du ein sicheres Leben in diesem unsicheren Land“, sagte ihr Vater zu ihr. Mit 17 heiratete sie. Doch ihr Ehemann musste das Land verlassen, er wurde politisch verfolgt.
Damit war auch Mehret nicht mehr sicher. Sie flüchtete, lief zu Fuß nach Äthiopien, lebte in einem Camp. Sicherheit fand sie dort auch nicht. Ihre Reise ging weiter, in den Sudan. Kaum Wasser, kaum Essen, nicht mehr dabei als das, was sie am Leib trug. Trotzdem schlug sie sich durch, lernte sogar Friseurin im Sudan. Doch als Christin hatte sie einen schweren Stand in dem vom sunnitischen Islam dominierten Land.
Ihre Flucht ging weiter nach Libyen. Ohne Geld, ohne Perspektiven. Sie trank Wasser von der Straße. Sie wurde krank. Keine Medizin, kein Essen. Ihr Wille und der Wunsch nach einem besseren Leben ließ sie irgendwie durchhalten. Monate später schaffte sie es auf ein Boot. Sie schaffte es nach Europa.
Ihre letzte Station auf ihrer langen Flucht ist dann zu ihrer zweiten Heimat geworden: Bad Sooden-Allendorf. „Ich nenne sie meine ruhige Heimat. Hier kann ich in Frieden und ohne Angst leben, meine zwei Kinder können behutsam aufwachsen, sie müssen keinen Hunger und Durst leiden“, sagt Mehret. Sie habe viele Menschen sterben sehen, Männer, Frauen, Kinder, die es nicht geschafft haben. Wenn man so etwas miterlebt habe, wisse man dieses ruhige Leben hier besonders zu würdigen.
Zu würdigen weiß sie auch die Unterstützung, die sie in Bad Sooden-Allendorf erfahren hat. „Das Familienzentrum war anfangs mein zweites Wohnzimmer. Hier habe ich Kontakte geknüpft, Anschluss gefunden“, so Mehret Brhane Yefter.
Sie ist längst angekommen. Spricht sehr gut deutsch. Sie liebt ihr Leben hier, mit ihrem Ehemann, der bereits vor ihr nach Deutschland kam, und ihren zwei Kindern. Und sie liebt ihre Arbeit. „Hier arbeiten Kolleginnen und Kollegen mit und ohne Beeinträchtigung super zusammen – und jetzt eben auch noch eine Frau aus Eritrea“, sagt sie und widmet sich wieder ihrer Arbeit.
Mehret unterstützt die Köche, ihre helfenden Hände sind überall da, wo sie gerade gebraucht werden. Ob Speisenportionierung für Schulen und Kindertagesstätten, die vom amélie mit Mittagessen versorgt werden, oder das Anrichten der verschiedenen Salate für Gäste des Wintergartens amélie und die tägliche Reinigung der EU-zertifizierten Großküche. „Sie ist eine Kollegin, wie man sie sich nur wünschen kann. Selbst im größten Stress bewahrt Mehret Ruhe und bleibt gut gelaunt – das tut dem gesamten Team gut“, so Küchenchef Hoberock.